Rheine: Wärmekonzept Eschendorfer Aue

Bild Weverkaserne
Planungsgebiet der General-Wever-Kaserne (©Geobasis NRW und Gertec GmbH Ingenieurgesellschaft)

Projektbeschreibung

Wie gestalte ich einen ehemaligen Militärstandort als Wohnquartier zukunftsfähig? Mit der Frage beschäftigte sich die Stadt Rheine bei der Entwicklung der Fläche der General-Wever-Kaserne. Die Stadt wünschte sich für das Gebiet den Einsatz von innovativer Wärmeversorgung und CO2-neutralem Systemen. Auf dem Gebiet der General-Wever-Kaserne soll ein Wohngebiet mit ca. 500 Wohneinheiten für 1.500 Personen entstehen. Die Machbarkeitsstudie führte demnach eine Analyse alternativer Wärmeversorgungen durch.
Als Basis für die Analyse wurde die Annahme getroffen, dass in dem neu entstehenden Wohngebiet der Wärmebedarf auf max. 25 kWh/m² festgeschrieben werden soll (dies entspricht dem derzeitigen KfW40-Standard). Als Varianten wurden Nahwärmenetze mit unterschiedlichen Temperaturniveaus, verschiedene Wärmepumpentechnologien, sowie der Einsatz von Photovoltaik und/oder Solarthermie betrachtet. Als Referenzsystem wurde eine Gas-Brennwertheizung mit Solarthermie herangezogen.
Die Ergebnisse der Studie wurden zuerst innerhalb der Projektgruppe und des Verwaltungsvorstandes diskutiert. Die Beschlussvorlage für die Lokalpolitik sah drei Punkte vor, welche ein abgerundetes Paket darstellten. Der primäre Aspekt lag dabei auf der Festschreibung des Energieeffizienzstandards, welcher bei Bauantragsstellung der 1. Stufe der KfW-Förderung entsprechen muss. Derzeitig wäre dies KfW55. Bei einer Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Jahr 2020 wird eine Reduktion auf KfW40 erwartet.
Verwaltung und Politik haben gemeinsam die Festschreibung des oben beschriebenen Energiestandards und die Umsetzung eines BHKW-Nahwärmekonzeptes für alle Mehrfamilienhäuser beschlossen. Die Errichtung von Photovoltaikanalgen wurde als wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll erachtet, hierfür wird eine Empfehlung gegeben. Somit ist ein ausgewogenes Vorgehen unter Berücksichtigung des Klimaschutzes und Vermeidung hoher Kosten für die Bauherren und Bauherrinnen gefunden worden.
Die Umsetzung der Beschlüsse wird derzeitig von der Stadt Rheine vorbereitet. Aktuell wurde mit den ersten Rückbaumaßnahmen auf dem Gelände begonnen. Die ersten Bauinteressierten sollen bereits im Jahr 2018 die Möglichkeit bekommen mit ihrem Bauvorhaben zu starten.
Die mit der Planung und Umsetzung der Konversionsfläche der General-Wever-Kaserne gewonnenen Erkenntnisse stehen für weitere Kasernenstandorte zur Verfügung. Da in der Stadt mehrere, auch nicht militärisch genutzte Wohnquartiere kurz- oder mittelfristig Sanierungsbedarf haben, wird die Stadt die Erkenntnisse der Studie für die zukünftige Sanierungsberatung und Städteplanung nutzen.

Technische Daten

Zur Ermittlung der besten Wärmeversorgungs-Lösung wurde das Projektgebiet in 5 Energie-Cluster aufgeteilt:

  • Cluster 2: ausschließlich Einfamilienhäuser
  • Cluster 3 & 4: Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften
  • Cluster 1 & 5: hoher Anteil an Mehrfamilienhäusern und Stadtvillen

Technologien

In der Machbarkeitsstudie wurden die nachfolgenden Technologien in unterschiedlichen Kombinationen (siehe Szenarien) untersucht:

  • Dezentrale Heizungsanlagen (Erdgas/Holzpellets)
  • Solarthermie
  • Wärmepumpen (Luft-WP/Erdsonden-WP/Gas-Absorptions-WP)
  • Erdsonden & Erdkollektoren
  • Holzpellet-Kessel
  • Erdgas-BHKW
  • Photovoltaik-Anlagen
  • Wärmenetz

Wärmequellen

Die Wärmequellen im vorliegenden Projekt sind:

  • Erdgas
  • Solarstrahlung
  • Umweltwärme
  • Holz-Pellets

Szenarien

Folgende Szenarien wurden untersucht:

Gebäudebezogene (dezentrale) Heizsysteme:
EFH – Einfamilienhaus, MFH – Mehrfamilienhaus

  • Erdgas-Brennwert-Heizung mit Solarthermie-Unterstützung – EFH, MFH
  • Luft-Wärmepumpe (ohne und mit PV-Anlage) – EFH, MFH
  • Erdsonden-Wärmepumpe (ohne und mit PV-Anlage) – EFH, MFH
  • Holz-Pellet-Heizung – EFH, MFH
  • Gas-Absorptions-Wärmepumpe – MFH
  • Erdgas-BHKW – MFH

Zentrale Heizsysteme:

  • Konventionelles Nahwärmenetz (Cluster 1 & 5)
    • Monovalente Versorgung aus Holzpellets
    • Bivalente Versorgung Erdgas-BHKW und Erdgas-Spitzenlastkessel (70 % KWK)
    • Bivalente Versorgung Erdgas-BHKW und Erdgas-Spitzenlastkessel (80 % KWK)
  • Kaltes Nahwärmenetz (Cluster 2)
    • Erdsonden & Erdkollektoren
    • Wärmepumpen
    • Solarthermie
  • Niedertemperatur-Nahwärmenetz (Cluster 3 & 4)
    • Erdsonden & Erdkollektoren
    • Wärmepumpen
    • Solarthermie
  • Photovoltaik-Anlagen

Als Ergebnis resultiert die nachfolgende empfohlene Wärmeversorgungsstruktur mit 3 Bausteinen:

  1. Gebäudedämmstandard: mindestens erste Förderstufe der KfW zum Zeitpunkt des Bauantrags (heute KfW55)
  2. Wärmeversorgung: Gebäude in den Clustern 2, 3 & 4 mit dezentraler Wärmeversorgungsstruktur mit einer angenommenen Verteilung von 80 % Erdgas-Brennwert-Heizungen mit Solarthermie und 20 % Luft-Wärmepumpen
    Gebäude der Cluster 1 & 5 mit zentraler Wärmeversorgung über ein konventionelles Nahwärmenetz mit einem 80-prozentigen Anteil an Kraft-Wärme-Kopplung (Erdgas-BHKW).
  3. Dezentrale Stromerzeugung durch Photovoltaik: bilanzielle Teilkompensation der CO2-Emissionen aus der Wärmeversorgung durch den Einsatz von PV-Anlagen auf den Gebäuden der Cluster 2, 3 & 4 mit mindestens 19 WP/m² Wohnfläche.

Nachhaltigkeit und CO2-Einsparungen

Bei der empfohlenen Wärmeversorgungsstruktur treten CO2-Emissionen von 753 t/a auf. Gegenüber dem Referenzmodell von dezentralen Erdgas-Brennwert-Heizungen mit solarthermischer Unterstützung, bei welchem 951 t/a an CO2-Emissionen auftreten, ist dies eine CO2-Einsparung von knapp 200 t/a und damit von rund 20 %.

Der Einsatz von Photovoltaik-Anlagen auf den Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften der Cluster 2, 3 & 4 kann darüber hinaus 485 t/a an CO2-Emissionen vermeiden. Bei PV-Anlagen auf allen Gebäuden der insgesamt 5 Cluster sind es sogar 800 t/a CO2, die zusätzlich vermieden werden.
Damit können die CO2-Emissionen der empfohlenen Wärmeversorgungsstruktur durch die PV‑Anlagen sogar komplett kompensiert werden.

Übertragbarkeit und Umsetzungspotenzial

Übertragbarkeit

Neben den weiteren Wohnquartieren in Rheine, die kurz- oder mittelfristig Sanierungsbedarf haben, können die Erkenntnisse der Studie auch für die zukünftige Sanierungsberatung und Städteplanung in anderen Städten des Projektgebiets mit ähnlicher Siedlungsstruktur genutzt und auf diese übertragen werden. Es besteht daher ein hohes Potenzial zur Übertragbarkeit auf andere Kommunen, da die in Rheine vorliegende Siedlungsstruktur an vielen Orten im Münsterland vorkommt.

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Die wirtschaftliche Betrachtung der Szenarien ergibt, dass sich eine PV-Anlage nach 11 (Cluster 2, 3 & 4) bzw. 9 (alle Cluster) Jahren amortisiert, während die zu erwartende Lebensdauer bei mindestens 20 Jahren liegt. Daher wird der Einsatz von Photovoltaik in jedem Fall empfohlen.

Der Gesamtvergleich der Technologien zeigt zudem anhand der Vollkostenrechnung, dass im vorliegenden Projektgebiet die kalte sowie Niedertemperatur-Nahwärme mit 21 Cent/kWh und mehr ökonomisch nicht sinnvoll sind, wohingegen ein konventionelles Nahwärmenetz mit 80 % KWK-Anteil aus einem Erdgas-BHKW mit 11,4 Cent/kWh die geringsten Vollkosten hat. Auch die Versorgung des Nahwärmenetzes mit Holzpellets hat mit 14,5 Cent/kWh geringere Vollkosten als die Referenzszenarien der dezentralen Versorgung über Erdgasheizungen mit Solarthermie-Unterstützung oder über Luft-Wärmepumpen mit fast 18 Cent/kWh.

Umsetzungspotenzial

Vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele der Stadt Rheine gemäß des Masterplans 100 % Klimaschutz (Reduktion THG-Emissionen um 95 % und Reduktion des Endenergieverbrauchs um 50 % bis 2050) sowie dem Kauf und anschließendem Besitz des Geländes der General-Wever-Kaserene durch die Stadt Rheine bzw. einer städtischen Tochter, sind die Voraussetzungen für die Umsetztung des Energiekonzepts sehr gut.

Kennzahlen

Endenergieeinsparung: –
Erneuerbare Energiebereitstellung: –
CO2-Einsparung: 198 t/a*

* Einsparungen des empfohlenen Wärmeversorgungskonzepts ggü. dem Referenzmodell + 485 t/a bzw. 800 t/a durch Einsatz von PV in den Clustern 2, 3 & 4 bzw. allen Clustern

Machbarkeitsstudie

Kosten: 19.575,50 €
Förderung: 13.702,85 €
Laufzeit: 05.12.16 – 30.04.2017

Antragsteller

Stadt Rheine | Der Bürgermeister
Fachbereich Planen & Bauen | Umwelt & Klimaschutz
Guido Wermers
Klosterstraße 14
48431 Rheine

Durchführendes Unternehmen

Gertec GmbH Ingenieurgesellschaft
Martin-Kremmer-Str. 12
45327 Essen
+49 (0)201 24 564-0
www.gertec.de

Interview

Hier geht es zum Interview über die Machbarkeitsstudie.

Download

Hier können Sie die Machbarkeitsstudie herunterladen.